Die Nacht war kurz. Pedro steht früh auf und schaut in den Spiegel. Ohne sein Bild im wiedergebenden Glas wahrzunehmen wäscht er sich das durchfurchte Gesicht. Seine Augen glasig und geschwollen lassen die markanten Konturen seines Gesichtes aufgeweicht erscheinen. Trübseligkeit zeigen sie nicht, doch sie lassen die vergangene Nacht durchschimmern. Er verlor sich im Wein und im Gelächter seiner Freunde. Ein Witz jagte den Anderen, durchweg auf seine Kosten. Sie lehnen an ihm in verfälschter Freundlichkeit, wähnen sie sich seines randgefüllten Portemonnaies sicher. Und so bestellt er die nächste Runde. „Champagne für alle!“, ruft er Francois, dem Bartender zu.

Francois ist die Seele des Establishments. Mit dem Beginn der Finanzkrise in 1928 heuerte er in Paris als Bartender an. Im Ersten Weltkrieg verlor er ein Bein und die Fähigkeit, ohne Stottern zu reden. Die Deutschen folterten ihn nach der Schlacht an der Marne. Seitdem kann er sich nicht mehr flüssig in Sätzen artikulieren. Er ist ein Mann, gestanden, und vom Wahnsinn des Krieges gezeichnet. Jetzt dient er den wohlhabenden Schmarotzern der französchichen Hauptstadt der 1930’iger Jahre und auch denen die in diese Bar kommen, um sich das Licht der Welt da draußen auszublasen. Sie trinken bis zu Erblindung. Es ist eine Erblindung, die nicht nur die Schönheit der Damen in ihren opulenten Abendkleidern verwischt, sondern die Angst vor dem Leben zu nehmen scheint.

Pedro’s Freunde nehmen die Großzügigkeit ihres Freundes an. Es eine Dankbarkeit, die mit der Falschheit eines verschmitzten Lächelns übertüncht wird und so zerbricht es am Prosit des Gastgebers und dem versteckten Gelächter der aufreizenden Damen an der Bar. Er ist nicht für diese Welt gemacht und doch verschenkt er sich. Er ist ein Geschenk, das nicht bestellt werden kann und darum trägt er es auf dem Tablet, verfügbar für jeden der Anwesenden an diesem verruchten Abend.

Mit seinem Holzbein humpelt Francois durch die schmalen Gänge der Bar. Das Tablet gefüllt mit dem köstlichen Nass der Oberklasse greifen sich die gierigen Freunde Pedro’s die Gläser. Sie würdigen dem Bartender keines Blickes und schütten sich das anbiedernde Getränk hinter die Binden.

Das Gelächter der Huren, die wie an jedem Abend die von Blindheit angeschlagenen Freier abschleppen werden, durchschauen die Welt des Obszönen und spielen das Spiel mit. Es ist ein Spiel, dass nicht aus ihrer Welt stammt und weil es ein unwürdiges Spiel ist und der verpestende Geruch der Niedertracht sich in dem Verhalten der Männer widerspiegelt, flüchten auch sie dem Schauspiel dieser Welt am Ende.

Pedro zahlt die Rechnung. Dem Bartender gibt er ein saftiges Trinkgeld und seinen Freunden ein Lächeln.

Schriften & Poesie

 

It is winter, and the land appears to be in slumber. In the frosty stillness of December 31st, I find myself in a modest bed, in Navarra. The old year bids its adieu, locks the gate, and tosses the key into the chest of memories. My thoughts still meander through what once was, yet the new year is already rapping at the albergue’s window. With the rays of January 1st, I embark on a journey out of town. The initial sunbeams rouse the landscape. The world seems brimming with promises, an empty canvas eagerly awaiting the brushstrokes of my experiences and aspirations. As I gaze upon the horizon, I comprehend that the box of magic lies in its perpetual cycle of endings and beginnings and that Life itself, resides in all the fruits nestled within.

The pilgrim, clad in snug attire, strides purposefully along the path. His breath becomes the fleeting witness of the westward journey. The landscape unfolds white and peacefully. The creatures of the land commence their gradual return to life, awakening with the first warming rays of the sun. Their fur, still lightly veiled by the night’s frost, glistens damp and heavy. Bushes and the fairy grass, adorned with the melted drops of the icy night, become mirrors for winter-bold insects. And so, I walk forward, immersed in the lively scene of the awakening morn. Nature welcomes me. It is a welcome, free and unpretentious and with arms wide open, inviting me on my way and leaving behind the cold and frost of the night. My walking stick grows into a living link with the earth, weaving a palpable connection, a magical bridge softly grounding me in presence. Each step grants me the privilege to be here, to witness the spectacle of nature, to meld with the pilgrim’s shadow and never have to surpass myself. We are constant, attentive companions who rendezvous as the light of day unfolds. Thus, I embody the morning awakening and merging into experiencing what it means to be everything instead of having to make a choice. The frosty morn settles on my face as the moisture of my breath succumbs to January’s frigid air.

Every day unfurls as uniquely as the last. At times, vibrant and teeming with life. Other times, I walk into the mist of a cloud-shrouded morn. The damp cold slips beneath the layered clothing, and I quicken my pace. Is it pivotal to seek the path of being, or is it the very essence of what I live, as I turn toward it? Could it be that I am the path itself, and every footprint etched in the snow might represent that inexorable force delicately ingraining itself into my memory like fragile ice flower patterns? This sweet misunderstanding presents itself through these inquiries. The mind quests for answers, oblivious to the soft-spoken truth that the mountains, fields, animals—all that surrounds me—spontaneously lay the answers before my eyes. The land doesn’t inquire about the meaning of life when the breath of mist slowly dissipates over the winter fields and the path where my hiking boots leave their traces does not deviate.It is winter, and the land is alive.

Schriften & Poesie

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Er nimmt einen weiteren Zug. Es ist ein genussvoller Zug, an der von Hand gerollten Havanna, und er wird sie bis zum Ende rauchen. Die zigarrengeschwängerte Luft des Café de Flore am Boulevard Saint-Germain in Paris wird von Cole Porters musikalischem Talent durchdrungen. Auf dem Kaminsims des Lokals stehen schwertropfende Kerzen. Es sind Kerzen, die bereits viele Nächte bezeugen können und weil sich ihre auflösenden Körper über der gekachelten Oberfläche des Bodens wie dazugehöriges Inventar verbreiten. Die Fenster verhangen mit tiefroten Gardinen, das Licht der Straßenlaternen unentschuldbar verschluckt. Cole verliert sich in den Tasten, die er spielt, singt jeden noch so kindischen Song mit der Leidenschaft eines Mannes, der sich gerade verliebt hat. Er ist ein Mann, der sich durch die Musikalität in seinen Händen in den Kleidern seiner Begehrerinnen und Verehrerinnen verliert. So jedenfalls müssen sich die Frauen fühlen, die sich um ihn und das Piano scharen. Sie schupsen sich sanft und elegant hin und her, um dem Mann ein winziges bisschen näher zu sein, und weil sie keinen seiner gespielten Akkorde verpassen wollen und ihn schlussendlich im Nebel des Zigarrenqualms in unwiderstehlicher Umarmung zu küssen.

Cole nimmt einen letzten Zug von seiner Havanna. Er hebt sein Champagnerglas:„Let’s do it“, und spielt den ersten Akkord.

Schriften & Poesie

 

Nach einem durchsungenden Abschiedsabend in La Faba schaue ich ein letztes Mal in die Augen meiner Mitreisenden. Ein letztes Mal lassen wir gemeinsam die Saiten unserer Ukulelen erklingen, und da es eine ruhige Nacht ist, wandern die berauschten und nicht mehr ganz klaren Stimmen unentschuldbar ins Tal. Mit dem guten Wein aus dem Bierzo verabschieden wir uns von der spanischen Region Kastilien und Leon und lassen uns das rote Blut dieser sagenhaften und scheinbar immergrünen Region schmecken, und weil der Abend moskitogeschwängert und schwül unsere erhitzten Körper umgarnt und die ersten Sonnenstrahlen ohnehin erst in vier Stunden das Tal erreichen, versinken wir im gegenseitigen Überbieten schlecht gesungener Volkslieder.

Meine Herberge für die nächsten Stunden ist klein. Es ist eine Herberge, die Tausende von Pilgern für eine Nacht beherbergt hat, die hungrige Wanderer verpflegt und wohlgenährt nach Galizien weitergeschickt hat, und weil die Hausherrin Tiere liebt, gibt es das Beste, was der vegetarische Kochtopf hergibt.

Luisa, die auch die Küche im Griff hat, kommt immer wieder an unseren Tisch, um die halbleeren Gläser wieder zum Leben zu erwecken. Sie ist eine fantastische Gastgeberin und stimmt immer wieder in unsere schief gesungenen Lieder ein, um ihnen mit ihrer Nachtigallenstimme die Seele zurückzugeben. Sie hat ein junges Herz, und wenn ihr voller Leben durchfurchtes Gesicht lächelt, werden unsere Gedanken für einen Moment ernüchtert, bis zum nächsten Toast auf das Leben und die Liebe und den Kampf um die begehrenswertesten Frauen und weil das Glas sowieso erhoben werden muss.

Mein irischer Pilgerfreund Ed Ó’Connor sitzt zusammengesunken auf der alten Bank direkt unter dem Dachsims. Von unseren Eskapaden bekommt er nichts mehr mit, und so erlebt er auch nicht am eigenen Leib, wie es ist, sich Luisas Gesang hinzugeben. Ed ist Schriftsteller und macht sich jeden Tag Notizen über den Weg, die Menschen, die er trifft und alles, was ihn bewegt. Er selbst ist bewegt, seit er seine Haustür in Dublin mit einem genussvollen Knall hinter sich gelassen hat. Er hat sie nicht einmal verschlossen, sondern sich auf den Weg gemacht, und im Urvertrauen, dass dieser Weg jetzt gegangen werden will, hat er keinen Augenblick gezögert, die immergrüne Insel zu verlassen, um in den Westen des von Eukalyptusbäumen übersäten Spaniens zu pilgern. Seine 55 Jahre sieht man ihm nicht an. Nicht ein einziges Jahr lässt sich aus ihm herauslesen. Er schreibt, wenn ich rede, er redet, wenn ich trinke, und er schläft, wenn ich singe. Er ist ein stiller Mann, ein Freund, und weil er das lebt, was er so liebt und was ihn zum Künstler macht, höre ich ihm zu, wenn er seine Geschichten vorliest.

Ed Ó’Connor verschwendet sich im Schreiben, ich im Zuhören, und so verabschieden wir uns von diesem Tag, und weil es der letzte im Bierzo ist, grüßen wir Galicien mit jedem weiteren schräg gesungenen Lied und jedem gelehrten Glas. Der ferne Westen Spaniens wird uns in wenigen Stunden in der Morgendämmerung begrüßen, aber nicht bevor wir den steilen Weg nach O Cebreiro hinaufgestiegen sind und in Casa Antón einen Topf Caldo Verde gegessen haben.

Schriften & Poesie

 

Der Sturm zerfetzt die rötliche Wolkendecke des vorwinterlichen Abends. Es ist ein hereinbrechender Abend und er ist kühl und die Seevögel Asturiens schreien den Windböen entgegen und weil sie erprobte Flugkünstler sind, werfen sie sich mutig in die Wellen des Ozeans. Voller Vertrauen und Überlebenswillen tauchen sie in die sich überschlagenden und weißschäumenden Berge des Atlantiks, hinein in einen reichgedeckten Tisch. Ihre Körper verschwinden unter den zusammenbrechenden Wellen und ihre Schreie verstummen und weil sie Künstler im Jagen sind, tauchen sie wieder auf, der Schnabel gefüllt mit den Früchten des Meeres und mit schweren Flügelschlägen schwingen sie sich hinauf, auf die rockigen Klippen der Küste. Sie pressen ihre Körper an die kaltem Felswände und ihr Gefieder, leicht und verletzlich, stellt sich dem konstanten Ansturm des Windes entgegen.

Es gibt keinen Kampf ums Überleben und weil es keinen Gewinner der Gewalten braucht, werden sie zu fast besten Verbündeten. Die Symphonie des Sturmes verstummt, kommt zu einem Ende und es ist ein Ende, welches die Geburt des nächsten Sturmes in sich trägt und so wird sie die Fische des Ozeans ein weiteres Mal an die Oberfläche des Meeres bringen und den Mutigen das Abendmahl richten.

Schriften & Poesie

 

Sie ist gefangen, verstrickt, leblos, weil sie aufhörte, mit Leidenschaft zu leben, weil sie dem knisternden Feuer in ihrer Brust keine Aufmerksamkeit mehr gab, sie sich dem Kollabierenden entzog. Sie verschwand, radierte selbst die farbigsten Erinnerungen aus und weil sie im Geiste verfangen war, legte sie sich in den trockenen Wüstensand, um zu sterben.

Und so stirbt sie und sie wusste, dass das Leblose, das Fühllose und Unanfassbare in ihr sterben musste, weil das Leben sie dazu zwang und das Leben tut es mit der barmherzigen Güte einer Göttin. Das Leben braucht den Tot, damit das Blut in ihren Adern wieder fließen kann, sich der Herzschlag durch Ihre Brust zeichnet, ihre Stimme den Weg aus ihrem Munde schafft, und die Gesichter ihrer Kinder mit Küssen zu überschütten.

Sie war nie tot, doch musste sie sterben, weil die Wüste ihr das Unterdrückende nahm, ihre Schultern wieder fallen ließ und weil sie den Weg zur Oase kannte.

Schriften & Poesie

 

Strength is more connected than strategy; it is in its attribute, more honest, more involved, more real, and more resolute than any crafted calculation could ever be. Underestimating an opponent can sideline me. It is a secluded offside, estranged from life, carried only within the self. It underestimates the strength of the other; underestimates the peaceful warriors in their encounter. I surrender to the power of the morning, needing no strategy to wake up. The body possesses the knowledge, its own intelligence, in which I can trust. And there it is, the power of primal trust, moving me like a river towards the sea. The ocean with its currents and waves, tides and life-giving abilities, simply exists here. An ocean that, when it surges, gives and takes life. And so I lose myself in the ebb and flow of the living; I allow myself to embrace the „wisdom of the uncertain.“ Strategy, on the other hand, takes away life from me – in its experienceability, it confines me to a mental idea that finds its existence in the unwaiting. I respect my opponent in their truthfulness, respect them by „welcoming“ what seemingly separates. And so, I am the river, the pouring into the sea, meeting more of what I am; the Ocean itself.

Schriften & Poesie

 

Zugang zum inneren kreativen Raum schaffe ich mir im Nichtstun.Ich sitze hier und lasse das, was gesehen werden will an die Oberfläche kommen. Ich spüre den Körper und höre den Gedanken zu, ohne von ihnen eingenommen zu werden. Leichtigkeit ist das, was ich wahrnehme.

Ohne Aufwand und Druck, ohne Ziehen und Schieben, lausche ich dem Körper, höre ich auf die Intelligenz, die die meiste Zeit des Tages ignoriert wird.

Still, mit einem Notizbuch auf dem Schoß lasse ich meine Hand das übersetzen, was erschaffen werden möchte. Selbst, der der kritisch draufschaut, wird gehört und niedergeschrieben. Genau hinter dem, der Einspruch, Widerspruch ausübt, liegt oft das, was gelebt werden will. Und so sitze ich hier, gelassen, kopffrei, nach einer Idee suchend und schaue dem Schauspiel des Lebens zu. Lass mich von Selbigen anzünden und gehe in Flammen auf.

– S. Kaven

Photo: Sven Kaven, Präsenzfotografie. Nichts tun- aufgenommen auf dem Durchstartet Seminar 2022

Schriften & Poesie

 

Nur weil die Welt verrückt spielt, sich in ihrer Unverbundenheit feiert und das scheinbar Perfekte zum Heiligtum erklärt, heißt das noch lange nicht, dass du mein Freund, nicht richtig bist. 

Du bist perfekt in dem Augenblick, wenn du mit deiner scheinbaren Unvollkommenheit Frieden schließt, du mit ihr tanzt, sie als Momentaufnahme umarmst und in dein Fotoalbum klebst.

Du bist perfekt in dem Moment, wenn du die Tränen der Enttäuschung nicht trocknest, sondern sie in ihrer Fülle schmeckst, sie laufen lässt, ihre Feuchtigkeit auf den Wangen spürst – sich ihr Salz auf deiner Haut zeigt.

Du bist perfekt in dem Augenblick, wenn du dich vor all dem verneigst, dass sich schlicht und unbeugsam zeigt.

So verneige dich vor dem, dass dich grämt, vor dem, dass dir den Mut nimmt, verneige dich vor der Hatz, der du folgtest, dem streben nach einem besseren „ICH“, dem Erwachsenwerden oder einer besseren Version deines Selbst. Verneige dich mein Freund vor dem süßen Missverständnis, das wir Leben nennen und du erkennst, wie wundervoll richtig du bist.

Schriften & Poesie

 

Der Geruch frischgebrühtem Cafés schwebt durch das ganze Haus. Es ist ein gewohnter Geruch, ein Geruch, der mir ein spürbares Lächeln auf das gerade aufgewachte Gesicht zaubert. Ich springe aus meinem Bett, hinein in meine Hausschuhe, werfe mir den Morgenmantel über und der flüchtige Blick in den Spiegel verrät mir; Junge dir geht es gut. 

Ich gehe die alten Holzstufen runter, die mit jedem Schritt wie aufgescheucht knarren. Die Hausherrin bemerkt mich beim Runterkommen. Die Tassen und Teller geben wie jeden Morgen das Weckkonzert und ich höre, wie die alte Kaffeemaschine anspringt.

„Pedro, wollen sie ihr Croissant aufgewärmt oder wie immer kalt?“, höre ich sie bereits rufen, noch bevor ich die letzte Stufe betreten konnte.

„Guten Morgen, Maria! Das Gebäck, wie immer kalt, frisch und mit ihrem morgendlichen Lächeln auf einen kleinen Teller.“, sage ich, als ich in die offene Küche des Hostels eintrete.

Maria Gonzales ist die Seele des Hauses. Jeden Morgen singt sie die Lieder ihres Geburtsortes in Andalusien und wärmt die kalte Stube im Norden Spaniens mit ihrem feurigen Gesang. Seit über 10 Jahren ist ihr Gasthaus in den Pyrenäen mein Rückzugsort. Ein kleines Dorf, eingepfercht zwischen den immergrünen Bergen Navarras und der weingebenden Region Rioja, die gleich hinter dem Fluss, am Ortsausgang beginnt. Das Gasthaus ist seit 32 Jahren fest in andalusischer Hand und so begrüßt mich jedes Jahr, mit meiner Wiederkehr der Duft frischgepressten Orangensaftes, gläserweise Oliven aber vor allem die Herzlichkeit Marias. Für mich ist es der beste Ort der Welt, um ungestört an den letzten Kapiteln meines Manuskriptes zu arbeiten. Morgens lese ich als Erstes die Zeitung aus meiner Heimat. Es sind Nachrichten, die oft bereits Tage alt sind, und so stören mich die Berichterstattungen aus dem kriegshungrigen Deutschland nicht sonderlich. Die ganze Welt scheint verrückt geworden zu sein. Die Welt, sie verkommt in der Verunmenschlichung seiner selbst, sieht sich in dem, was trennt, anstatt des friedlichen Miteinanders.

„Pedro, ihr Café.“

„Danke Maria.“

„Lassen sie es sich schmecken.“

„Maria, ich erwarte noch ein Telegramm aus Madrid von meinem Freund Frances. Wissen sie, ob der Postbote heute noch kommt?“

„Ich frage Julia, seine Frau. Sie bringt mir noch frisches Obst vom Markt in Estella. Sie kann sicherlich etwas herausfinden.“

„Das wäre wunderbar, Maria.“

Mein Freund und Autorenkollege Frances will mich für ein paar Tage hier in Navarra besuchen. Auf dem Programm steht eine ausgedehnte Wanderung nach Roncesvalles. Frances und ich kennen uns aus unserer gemeinsamen Zeit in Bordeaux, wo wir als Verlagsrepräsentanten für eine sehr bekannte Zeitschrift gearbeitet haben. Mittlerweile sind wir beide der Schriftstellerei verfallen und genießen einen regen und engen Austausch. Dieses Jahr wollen wir die Route des Jakobus in entgegensetzte Richtung für ein paar Tage laufen. Pinchos kommen nicht zu kurz und der literarische Austausch findet in weinbesänftigter Stimmung statt.

„Er ist ein verdammter Franzose“, schrieb meine Mutter einst, als ich wieder mal im Süden Frankreichs unterwegs war. Ich kann es ihr nicht verübeln. Wir verloren unseren Vater und Sie ihren Mann im 1. Weltkrieg. Es war ein Krieg, mit der Französischen Republik, ein Krieg der zwei europäische Kulturen nahe an den Rand der Selbstvernichtung brachte. Frances würde nebenbei nie von sich selbst behaupten, echter Franzose zu sein. „Ich komme aus dem Baskenland, Pedro und eines kann ich dir sagen; wir Basken lieben zwar die französischen Frauen und den Wein; doch mein Herz schlägt im Rhythmus des Euskal Herria“. 

Meiner Mutter ist das egal und doch ist sie nicht wirklich eine verbitterte Frau. Sie sieht mich durch die Welt ziehen und erfährt durch mich, wie ein Leben auch gelebt werden kann. Sie ist eine gute Mutter, eine Frau, die zwar Gram erfahren hat, doch durch die Liebe zu ihrem Sohn erfährt, was es bedeuten kann, das Leben zu umarmen. Und darum schreibe ich. Ich schreibe, um der Welt ein anderes Gesicht zu geben. Ich schreibe, damit der unwissende Verstand lernt, dem vertrauenden Herzen zuzuhören.

„Pedro, der Postbote kommt heute noch vorbei. Ein Telegramm ist für sie dabei.“

Das kann nur Frances sein. Ich breite meine Schreibutensilien aus. Das Notizbuch zu meiner Rechten schau ich aus dem Fenster. Es regnet. Ich greife den angespitzten Stift, nehme einen Schluck Café und beginne zu schreiben.

„Der Geruch frischgebr …“

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